Don Juan Matus. Meditationen bei Dämmerlicht.
Zuerst ein Geständnis: Ich hatte immer Angst vor dem Tod. Erst jetzt wird mir das klar. Bis 30 dachte ich tatsächlich, ich wäre unsterblich. Da ging es mir ähnlich wie Liv Ullmann. Die dachte genauso. Dann, mit 70, gestand sie einem Journalisten in New York: „Heute weiß ich es besser. Heute weiß ich, es wird ein Tag kommen, an dem ich endgültig nicht mehr sein werde.“
Das ist ein Satz. So wie bei allen Sätzen können wir auch diesen Satz handhaben. Wir können ihn kneten und wir können ihn wegschnippen. Wir können ihn klein machen, abtun. „Nicht für mich relevant. Die Rede von einem x-beliebigen Jemand. Ich habe auch meine Rede. Die ist mir doch ein für alle Mal wichtiger!“ Das habe ich die längste Zeit meines Lebens getan. Ich war ein Großmaul. Tod? Kommt für mich nicht in Frage.
Doch der Große und Eine Geist warnte mich schon damals. Da war ich um die dreizehn. Zwei Zwillinge, gute Turner, griffen mich im Schwimmbad aus simpler Mordlust oder aus Lust, sich an meiner Todesangst unter Wasser weiden zu können, aus heiterem Himmel, ohne Vorwarnung, an (sie waren noch dazu keine Feinde; ich hatte mit ihnen praktisch keinen Kontakt, kannte sie jedoch, denn sie waren die Vorzeigeturner unseres Dorfes) und legten es darauf an, daß ich ertrinken hätte können. Ich stieß unter Wasser einen angsterfüllten Schrei aus. Da ließen sie los. Ich stieg aus dem Wasser, zitternd, und ging halb weinend davon. Die zwei Buben würdigte ich danach nie mehr eines Blickes. Sie hatten ihr wahres Gesicht gezeigt. Doch damals, bekam ich eine Ahnung, wie es sein muß zu ertrinken.
Ich habe Angst vor dem Sterben. Was der Tod ist, weiß ich nicht. Ja, wie könnte oder sollte ich das wissen? Die Nicht-Existenz! Genau das sagt ja Don Juan Matus, als er beginnt, das „Tibetische Totenbuch“ gegenüber Carlos Castaneda anzusprechen, als dieser es aus der Reisetasche hervorfischt. Don Juan zeigt sich verwundert, ja geradezu erstaunt und leicht belustigt. Er bittet seinen Schüler, ihm jene Passage, bei der Castaneda gerade angelangt ist, vorzulesen. Don Juans Reaktion fällt ausgedehnt aus. Don Genaro, der große Meister des Bewußtseins, jener Zauberer, vor dem Castaneda dermaßen höllische Angst hat, ist gerade schon verschwunden. Don Juan erklärt nun Castaneda, niemand könne sagen, was der Tod ist. Der Tod ist alles und nichts. Der Tod, das ist, wenn der fürchterliche Genaro einen Furz läßt oder auf dem Kopf steht, ohne Zuhilfenahme seiner Arme. Der Tod ist ein Nießen oder ein Sich-am-Kopf-Kratzen, also alles. Vielleicht, so schließt er dieses Kapitel aufs Erste, haben die Tibeter erkannt, daß es ganz und gar unerheblich ist, was man über den Tod sagt, und hätten deshalb diesen unerheblichen Text verfaßt. Es ändert nichts am unabwendbaren Charakter des Todes.
Der Tod, sagt Don Genaro später zu Florinda Donner-Grau, im Jahre 1970, auf dem Zapotebaum nahe Pozo Almonte, in der Wüste von Sonora, ist Frieden. Er ist unsägliche Erleichterung. Jene Erleichterung, die Donner-Grau das Seufzen der Erleichterung im Rascheln der Blätter des gigantischen Zapotebaumes aus ihrer Kindheit hören ließ, der Seufzer des oben an einem der dicken Äste hängenden Schulwartes, der Seufzer, der mit dem Rascheln verschmilzt und dennoch deutlich hörbar bleibt. Ein Seufzer, der ihr und Zamorito, ihrem Schulfreund, beim selbstvergessenen, jugendtrunkenen Verzehren der Schulbrote das Blut in den Adern stocken läßt, für eine Weile, und dann springen sie laut schreiend auf und laufen davon.
Ich habe nicht viele Tote in meinem Leben gesehen. Särge, das ja, und Begräbnisse auch, als Ministrant. Degutante Musik, anders als bei den Mulatten und Schwarzen. Doch Tote, nein. Eine Handvoll, nicht mehr. Andere sehen Hunderte, wenn nicht Tausende, von Berufs wegen. Als ich eine Patientin wenige Minuten nach ihrem Tod sah, wußte ich, sie ist gegangen. Eine Stimme sagte klar: „Das Leben ist gegangen“. Die Stimme sagte nicht: „Ihr Leben ist erloschen.“ Nein, sie war gegangen. Sie war vielleicht eine Minute zuvor gestorben. Ihr Gatte lag neben ihr, auf dem Boden, bei den Shipibo-Indios, einem Häuptling, ein guter Freund, den ich über alle Maßen achte (und auch schätze). Ich lag neben dem Gatten. Der Häuptling hatte es uns klipp und klar erklärt: „Diese totkranke Frau wird heute nacht sterben.“ Und so geschah es. Alle lagen im tiefen Schlaf, auch der Häuptling und seine Entourage. Es war gegen 2:00 Uhr morgens. Der Mann, ein Landsmann, beugt sich zu mir herüber: „Doktor Himmelbauer, ich glaube, meine Frau ist gestorben. Ich hör‘ sie nicht mehr atmen.“ Ich krabble zu ihr hinüber, schalte die Taschenlampe ein. Kein Zweifel, sie ist tot. Bereits in dieser Minute hat in den Tropen der Verwesungsprozeß bereits sichtbar eingesetzt. Wir beten gemeinsam das „Vater unser“ und das „Gegrüßet seist Du, Maria“. Dann sinken wir zurück auf unsere Matten, die Tränen des Witwers versickern, er schläft vor Erschöpfung ein. Auch ich schlafe ein, doch ein Engel stupst mich an. Ich öffne die Augen, und sehe die Seele der Verstorbenen draußen, vor dem Fenster. Sie lacht mich an. Eine befreite Seele. Sie ging direkt in den Himmel. Ihr Leiden hatte sie geläutert.
Es ist ein Davongehen. Und trotzdem habe ich davor riesige Angst. Es ist nicht Angst um mich. Es ist die Angst um die Anderen. Die Kinder.
Ich habe einen Satz, der steht ganz oben, auf dem Kapitell des Tempels der Weisheit, oder sagen wir, auf dem Tempel des Orakels von Delphi. Ein eingemeißelter Satz: „Denke niemals schlecht über andere Menschen!“ Ja, dieser Satz ist Nummer Eins. Der wichtigste.
Und dann gibt es einen zweiten, der kommt aus dem Mund des Polen, dieses Titanen aus Wadowice: „Das Schicksal des Menschen ist es, ewig zu leben.“ Da kann ich doch nur stets aufs Neue und immer wieder „Amen“ sagen. Ich verstehe diesen Satz mit meinem Herzen. Der Titan aus Polen war der Nachfolger Christi. Natürlich war er das. Seltsam, immer wenn ich an ihn denke, werde ich zu Tränen gerührt, so wie bei jedem besinnlichen, ehrlichen Gedanken an Pater Pio. Da ist eine Macht wirksam.
Ja, das hilft. Aber Auschwitz-Birkenau macht mir Angst. Mauthausen macht mir Angst. Srebrenica. Schwarzafrika. Dieses Morden. Eine Bestie, die nicht „Bestie“ genannt werden darf.
In einer Welt, in der der Tod der Jäger ist, gibt es nur Entscheidungen, sagt der Meister aus Sonora. Er trifft hier meinen wunden Punkt. Ich weiß, er hat vollkommen recht. Das Thema ist todernst, doch ich benehme mich nicht dementsprechend. Ganz und gar nicht. Ich bin furchterregend bequem und nachlässig. Ich lasse mich gehen. „Es gibt nur ein Sich-gehen-Lassen“, sagt Don Juan Matus. Es gibt nur das. Das sagt alles. Das stimmt haargenau. Das Sich-gehen-Lassen. Nichts anderes. Das gilt für jeden Moment.
Ich trompete manchmal besserwisserisch mit dem Dalai Lama herum. Mit seinem Spruch: „Der Mensch hat einen Todfeind, der ihn 24 Stunden am Tag attackiert.“ Ich verstehe den Satz voll. Auch in seinen Konsequenzen. Und dennoch gönne ich mir dann und wann eine Auszeit. Und es ist keine Auszeit, mich für ein wohlverdientes Nickerchen auf den Boden zu legen und so wie Don Juan Matus meine ausgelatschten Wüstensandalen abzuschütteln, mit einem letzten Blick auf eine Wolke des Himmels, bevor ich mich ins Reich des Schnarchens begebe. Meine Auszeiten hingegen haben mit Fressen und Pornographie zu tun. So irgendwie, wenn ich die involvierten Begriffe verstehe.
Mein Problem sind die unerkannten Attacken. Mein Anspruch, alles denken zu dürfen, was ich denken, sprich: phantasieren will. Die Infiltrate. Das Gift. Ein Geisteszustand der Zerfahrenheit, wie Ferdinand Ebner es nannte, und der kompensatorischen Allmachtswünsche, daß sich die Bohlen biegen, anstatt mir selbst Einhalt zu gebieten. Don Juan warnt Castaneda eindringlich vor der ersten Begenung mit Don Genaro: „Läutere dein Denken! Sei kein Haufen Scheiße! Er wird dich sehen. Reiß dich zusammen. Du darfst bei dieser Begegnung nicht so sein wie du immer bist. Denn wenn du so bist wie immer, wird mich Don Genaro bemitleiden: „Oh weh! Was hat die Absicht des Geistes meinem Freund Juan nur für ein Stück Scheiße zur Ausbildung zugeschanzt! Und Mitleid brauche ich als Krieger von niemandem. Silvio Manuel würde dir dafür die Augen auskratzen.“
Das sind substantielle Arbeitsfelder, für jede Minute dieses, Gott sei Dank, arbeitsreichen Tages. Das bekommt man für gewöhnlich von La Madre nächtens an den Knopf geknallt. Und es ist bei Gott keine Selbstergötzung. Faulheit! Das letzte, was sie gestattet. Und La Madre, das wollen wir nicht vergessen, ist immer noch mütterlich. Mescalito hingegen ist unerbittlich. Man lese die Passagen, als Eligio auf Anweisung seines Meisters ins Reich der Medizin hineingezogen wird. Er winselt bereits im Vorfeld, auf dem Boden sitzend. Es ist bereits Abend. Seine Motorik gerät außer Kontrolle. Und es ist eine Exekution, von Angesicht zu Angesicht. Eligio, der Meisterschüler, weiß, jetzt wird er sterben, und winselt wie ein Hund. Er stottert. Er jammert. Er fällt zur Seite. Er zuckt spastisch. Und er hat noch nicht einmal den ersten Peyote-Button gekaut. Eine Exekution für einen Meisterschüler. Die anderen, so auch Castaneda, dürfen nur zuschauen. Castaneda wird bereits vom Zuschauen schlecht. Eligio nimmt zehn Buttons, heilige Medizin, von seinem Meister sorgfältig und makellos gepflückt. Die Prüfung dauert bis um 5:00 in der Früh‘. Dann schläft der Zögling ein. Er hat die Zerreißung überlebt, verdientermaßen. Doch, ja.
Also, wenn uns bereits die Gnade jeden Tag aufs Neue geschenkt wird, in unserem Bett aufwachen zu dürfen, wollen wir uns gefälligst bedanken. Ein Morgengebet, ja, warum nicht? „Herr, lehre uns beten!“ Was für ein Wort! Ja, was für ein Wort. Was für eine Gnade. Was für ein Geschenk. Ein Gott in Menschengestalt. Ihn bitten die Jünger, er mögen sie das Beten lehren. Das rechte Beten. Und er lehrt sie das „Vater unser“.
Dieses Gebet steht in den Sphären, unauslöschbar. So wie La Madre ganz klar feststellte: „Das Licht stellt man nicht unter den Scheffel! Wenn es heißt: „Gelobt sei Jesus Christus, in Ewigkeit, Amen!“, dann spricht man es auch so aus, in meinen Zeremonien.“ La Madre, sie hat nicht Angst. Eine Mutter, die keine Angst hat! Was für eine Freude! Da liegt der Hase im Pfeffer, Herr Kraus.
Danke, Mutter!
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Kämpfen mit dem Unpersönlichen
Und dennoch gibt es knifflige Passagen in Castanedas Werk. Die kniffligste ist ein Ausdruck von Carol Tiggs, den sie, nach ihrer Rückkehr im Jahr 1983, nach 10 Jahren des Verschwundenseins, in persönlichen Mitteilungen auf die Frage, wo sie denn gewesen wäre, handhabte: „Ich stand mit dem, „der dem Tode trotzt“, vor dem kalten Antlitz der Unendlichkeit, und sie, die Unendlichkeit, blickte mich unpersönlich an. Etwas vollkommen Unpersönliches…“
Dieser Satz ist eine Steigerung des „Konzeptes“ des Geistes, wie es aus den Ausführungen Don Juan Matus nach und nach emporsteigt. Dieses Konzept erfordert aufmerksames Lesen. Er setzt den Geist mit der „Absicht“ gleich, einer, wie er es formuliert, „unpersönlichen Kraft, die umherwandert, die weht, wo sie will, die die Dinge gestaltet.“ Die Welt gehorcht der Absicht, und diese Absicht ist, wenn wir es richtig verstehen, eine unpersönliche Kraft.
An dieser Stelle möchte ich zu Doña Soledad Ruiz und ihrem Ausspruch im Interview aus dem Jahr 2005: „Was zählt, sind nicht Anekdoten. Was zählt, ist der Geist“, umschwenken. Was zählt, ist der Geist. Der Geist, so der Nagual, ist ein Zeuge. Er beobachtet uns ständig.
Hier gilt es innezuhalten. Der Geist ist ein Zeuge, und er beobachtet uns ständig. Hier ist doch von wechselseitiger Personalität die Rede. Von Ich und Du, wie es Ferdinand Ebner, gemäß Augustinus Karl Wucherer-Huldenfeld Österreichs tiefsinnigster Philosoph, treffend bezeichnete. Ich und Du, das sind die Fundamente des geistigen Lebens, ganz in Anlehnung an die ersten zwei, die obersten Gebote, die uns der Herr gegeben hat. Der Geist ist ein Zeuge, und er beobachtet uns ständig. Jemand, der uns beobachtet, ist nicht unpersönlich. Er mag vielleicht unsichtbar sein oder wir nehmen ihn nicht wahr. Vielleicht wollen wir ihn gar nicht wahrnehmen. Nicht so der Nagual, der dreizackige Nagual, und erst recht nicht sein Lehrmeister, der vierfältige Klassiker schlechthin. „Er hält mit Leidenschaft nach einem Omen Ausschau. Er fleht geradezu um ein Zeichen des Geistes“. So charakterisiert Juan Matus seinen Nachfolger gegenüber Florinda Donner-Grau, und die Hexen seines Nagualzuges (wir sehen sie geradezu vor uns sitzen) nicken ihm einhellig Beifall.
Der Geist, der uns überfällt wie ein Wegelagerer bei Nacht (ein anderes Bild, das der „Altmeister“ gebraucht), er meint uns, so wie auch die Windhose bei später, bei allerletzter Dämmerung, auf einem Hügel in der Wüste von Sonora, uns meint. „Wir jagen die Kraft“, war das Motto. „Ein Jäger weiß, daß der Wind sich in der Dämmerung verwandelt in eine Kraft, die dich, wenn du dich nicht in acht nimmst vor ihr, schädigen kann.“ Und die Kraft kommt. Castaneda liegt in Deckung. Juan Matus nimmt sie auf, er fliegt auf der Stelle herum, wie der Wetterhahn auf der Kirchturmspitze bei jäher Windböe. In Wahrheit hatte der Nagual die Kraft auf sie beide aufmerksam gemacht. Er rief ihn herbei, den Geist. Er beschwor ihn. Das war seine Macht als Nagual. Geistbeschwörung. Das ist Schamanismus. Ebenso wie Dem-Geist-Gehorchen, Sich-vom-Geist-erfüllen-Lassen. Das geschah zu Pfingsten. Die Apostel wurden von Heiligem Geist erfüllt, der sich wie Feuerzungen auf sie herabsenkte, in aller Öffentlichkeit, und sie sprachen mit fremden Zungen, sodaß alle Anwesenden „aus aller Herren Länder“ sie verstehen konnten. Deswegen nennt man schamanistische Ekstase auch das „In fremden Zungen reden“, so wie es das Staatsorakel des Dalai Lama zeigt, wenn er, kontrolliert in einem Ritus, vom Geist besetzt wird.
Christus nennt den Geist den „Tröster“, den „Beistand“. Der Geist ist uns für die Zeit der Abwesenheit Christi Tröster und Beistand.
„Mit dem Fortgang von Don Genaro verschwanden auch der Witz und der Spaß“, sagt Pablito, „und jetzt sind wir zurückgeblieben wie begossene Pudel, die nicht mehr wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen.“
So ging es mir auch, 1998, als der Schamanenkongress mit Doña Soledad in Alpbach zu Ende gegangen war. Doch dann kam die Rettung.
Die Lehre des Geistes ist die Zentrallehre im Zaubergebäude des Heils des Nagualismus. In „Die Kraft der Stille“ spezifiziert Don Juan die Lehre des Geistes Schritt für Schritt. Der Geist will nicht nur von einem Zauberer oder einer Hexe etwas, nein, er will von jedem Einzelnen etwas. Und nicht nur für den Wissenden steht der Geist an jeder Hausecke, nein, auch für uns. Nur leider eben mit einem schmerzhaften Unterschied: Otto Normalverbraucher will vom Geist ein für alle Mal nichts wissen. Und so werden wir wund geschlagen, werden wir geknickt. Wer nicht hören will, muß fühlen.
Was ist das Unpersönliche?
Was ist, zum Beispiel, Kälte? Was Hitze? Was der Druck des Wassers? Was ist der Tod? Antwort: Wir werden es nie wissen. Nicht in diesem Leben.
Meint der Tod mich?
Wen hat der Tod gemeint in den Tsunami-Folgen des Seebebens vor der Küste von Indonesien zu Stefani 2004, denen rund 200.000 zum Opfer fielen? Welcher Schnitter war hier am Werk? Welcher Schnitter im Roggen? Hatten die 9.000 Schweden in ihrem Schwedental in Thailand einfach nur Pech?
Wen hat der Tod im Auge? Hat er ein Auge? Wie sollte er kein Auge haben, wo er doch eine Hand hat, die er uns auf die linke Schulter legt? Don Juan beschreibt es eindringlich. Der Tod, das ist Thema Nummer Eins. „Dies ist der einzig wahre Augenblick in deinem Leben.“
Ich hege in mir eine klare Gewissheit davon, daß dieser Spruch tödlich wahr ist. Die Wahrheit des Todes, niemals und von nichts korrumpierbar.
Doch der Tod ist kein Selbstzweck. Er ist nur Behelf. Er ist Teil der göttlichen Absicht. Dieser Passus des Satzes, der vor der Vollstreckung des Todesurteils in den Vereinigten Staaten vorgelesen wird: „Vom Leben zum Tod…“, er ist nur Ausdruck menschlicher Hilflosigkeit, und in diesem konkreten Fall der gotteslästerlichen Vollstreckung eines sogenannten Todesurteils der letzte, der ultimative Ausdruck menschlicher Abwendung von Gott. Denn der Mensch meint, urteilen zu dürfen.
Doch der Herr sagte ganz klar: „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet!“
Der Tod war, so sagt es die Bibel und damit der Glaube, im Ursprung nicht beabsichtigt. Er kam durch göttliche Bestimmung, mithin Absicht, in die Welt, in diese Welt, auf Grund des „großen Falles“. Der Große Fall (Great Falls, eine Stadt in Wyoming), kirchlich der „Sündenfall“. Der Tod ist alles und nichts, doch er ist nicht das Ende.
Wenn wir vernichtet werden und dennoch nicht sterben, wo können wir dann nicht persönlich gemeint sein?
Was uns im Universum anblickt, ist nicht kalt, auch wenn der absolute Kältewert erschreckende und gleichzeitig nicht vorstellbare minus 275° beträgt. Betragen soll.
„Dem Raum selbst lässt sich keine Temperatur zuordnen, sondern nur seiner Materie und der in ihm wirkenden Strahlungen. Die (sehr dünn verteilte) Materie im Weltraum kann sehr hohe Temperaturen aufweisen. Die irdische Hochatmosphäre erreicht Temperaturen von ca. 1400 Kelvin. Das intergalaktische Plasma-Gas mit einer Dichte von weniger als einem Wasserstoffatom pro Kubikmeter kann Temperaturen von mehreren Million Kelvin erreichen. Die hohe Temperatur resultiert aus der Geschwindigkeit der Teilchen. Ein gewöhnliches Thermometer würde allerdings Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt anzeigen, da die Teilchendichte viel zu gering ist, um einen messbaren Wärmetransport zu bewirken.
Die Temperatur der Hintergrundstrahlung beträgt derzeit 2,7 Kelvin (also etwa −270 °C). Sie spielt jedoch keine Rolle für die Temperatur der Materie im Weltraum. Die kältesten Regionen im Weltraum wurden in dunklen Molekülwolken gefunden und betragen wenige zehn Kelvin.“ (Zitat Wikipedia)
Alles deutet darauf hin, daß wir alle, jeder einzelne von uns, von äußerstem Belang sind. Ja, wir können gemeinsam sterben, in einer einzigen Sekunde, so wie damals, im Mai 45, in Hiroshima und in Nagasaki. Wir müssen also nicht für uns allein sterben. Wir gehen gemeinsam. Und wir gehen nicht wie die verblendeten Anhänger des Jim Jones, 1978 in British Guyana, in einem gemeinsamen Akt des Suizids als 900 Personen. Wir werden, jeder Einzelne, von IHM angezogen. Und wir verlöschen gerade nicht.
Wer eine Kerze ausbläst, meint diese Flamme.
Pfingsten (kommenden Sonntag) ist nahe.
Hartnäckigkeit
Man soll sich bekanntlicherweise von nichts ins Bockshorn jagen lassen, weder von weisen Ergüssen des Herrn Hintz noch von den Schlagsahneerkenntnissen des Herrn Kunz, Guru hin, Schamane her. Alles, was da so pathetisch tönt, es kann uns gestohlen bleiben. Ich mag Zwergenkommentare. Und noch mehr mag ich Zwerge und Waldschrate, die scheinbar, beim ersten Zuhören, gar nichts kommentieren, sondern nur stutzig wie Minderbemittelte das Kinn reiben oder den Bart kraulen, als wären sie durch und durch begriffsstutzig. Also bitte, wer von uns ist nicht begriffsstutzig.
Ich muß da einhaken bei einer Zentralstelle in Castanedas Werk. Rund um diese Stelle äußert sich auch Bruce Wagner. Es geht um die Quelle des Lebens, die, so der Nagual, für den Seher, der genügend Kraft zu diesem Kraftakt des Sehens besitzt, als Adler erscheint. Eine Erscheinung im wahrsten Sinne, unter Blitzen, wie es Don Juan formuliert.
Das ist ein fundamentales Thema. DAS Thema schlechthin, wie ich vermeine. Juan Matus weigert sich, auf die Quelle des Lebens (und nicht nur des Lebens; des Seienden schlechthin) den Begriff „Gott“ anzuwenden. „Gott“, so der Nagual, ist ein Begriff auf der Insel unseres Tonals; jener Insel also, auf der sich alles befindet, was wir kennen. Alle Begriffe. Alle Wörter der Menschheit. Alles, was ist. Alles, worüber etwas gesagt werden kann. „Gott“ ist zuerst einmal ein Begriff, und wir wissen nur allzu gut, daß wir genau diesen Begriff handhaben. Wir schlagen uns wegen dieses Begriffes sogar gegenseitig die Schädel ein oder manche schneiden deswegen anderen sogar gleich den Kopf ab.
Doch der Adler ist jenseits von allem. Er schwebt oder steht in einer eigenen Sphäre, er herrscht in seiner eigenen Macht. Diese Macht wirkt unbändig. Sie zermalmt. Der große Juan Matus zwingt Castaneda mit Hilfe seines „Vorarbeiters“ Silvio Manuel und seines Meisterschülers Eligio, in das Reich des Adlers einzutreten. Jene unvergessene Szene in den Ausläufern von Hermosillo, hinter einer steinernen Bachbrücke. Silvio Manuel erschafft durch seine makellose Absicht die „kosmische Vagina“, durch die Castaneda eintreten soll. Er tut es und tritt in das dunkle Nichts ein, daß dennoch von unermeßlicher Fülle erfüllt ist, und wird, zur allergrößten Enttäuschung seines Meisters, wegen seiner zum Himmel schreienden Unvollkommenheit auf der Stelle zermatschkert. Genaro und Silvio Manuel schleppen ihn heraus. Castaneda überlebt knapp.
Ich weiß, das ist zentral.
Aber ich will auf etwas anderes hinaus. Für mich ist die Quelle des Lebens unleugbar Gott. Wir dürfen uns nur keine Vorstellungen von ihm machen. Alle drei monotheistischen Religionen stimmen darin überein. Wir dürfen und sollen uns von Gott keine Vorstellung machen.
Das trifft unsere naturgegebene Verfänglichkeit, man könnte auch sagen, unsere Schwäche, ins Herz. Denn wir alle wissen, daß wir mit Gott arbeiten. Wir arbeiten tagtäglich mit ihm. Gott ist dies, Gott ist das, sagen wir. Gott macht dies, Gott macht das. Anderes unterläßt er. Dieses läßt er zu, anderes nimmt er weg. Er vernichtet. Er läßt Verbrechen und Ungerechtigkeit geschehen. In Auschwitz hat Gott geschlafen (Ausdruck seiner Heiligkeit, des Papstes Benedikt XVI., am Ort des Verbrechens selbst). Ja, Gott ist unser größtes Problem. Da er nun mal ja unendlich groß ist (Ausspruch der Kalahari-Meisterschamanen, allesamt Buschmänner: „Ja, Gott ist wirklich groß!“ Man sieht, diese Männer haben Gott, den „Adler“, gesehen, so wie die toltekischen Naguale), und Herr über Leben und Tod. Wer, verdammt nochmal, hält da nicht inne?
Wir halten inne und kontrapolieren: Man darf es nicht so negativ sehen, sagen wir. Schlußendlich ist er doch „der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Er ist die Liebe, sagen wir. Unendliche, göttliche Liebe, die jede Vorstellung übersteigt. Doch selbst dieser Satz ist verfänglich. Denn was Übersteigerung ist, das wissen wir zeitweise sehr genau. Was grenzenlose Gier ist, ahnen wir beizeiten.
Deswegen Zen. Vorstellungslose Kontemplation. Die Fülle des Lebens kann man nur kontemplieren. Und die Kontemplation gehorcht immer einem Gesetz. Zum Glück! Kontemplation ist nicht Chaos. Sie ist eben nicht das Herumwirbeln des Unruhestifters. Sie ist Friede. Lebendiger Friede. Kontemplation, wie der Yoga sagt, ist per definitionem das Schweben, das anstrengungslose Treiben im unermeßlichen Meer des Seins.
Und nun zu dem, worauf ich hinaus will: Der Nagual, der große Weltklassiker, hat es mit einem durch und durch renitenten peruanischen Klugscheißer und Schürzenjäger zu tun. Die Unterweisung gestaltet sich mühsam. Es dauert immerhin 13 Jahre, bis Castaneda ein halbwegs vorzeigbarer Hampelmann geworden ist. Vieles an der Lehre bleibt Castaneda, wie er es später bei mehreren Gelegenheit betonte, bis zum heutigen Tag unerklärlich, erst recht der Ablauf seiner Initiation. Ein Prozeß des symbolischen Sterbens. Auflösung. Tod.
Die Unterweisungen des großen Juan Matus in diesen ominösen, unvergleichlichen und unwiederbringlichen 13 Lehrjahren waren nicht linear. Der Ozean des Nagual schwappte an mehreren Gelegenheiten über ihn hinweg. Es ist nur rechtens, jedes einzelne der Worte des Meisters auf die Goldwaage zu legen und es mit anderen Worten und Taten abzuwägen. Der Sinnzusammenhang, das mehrdimensionale Puzzlegemälde ergibt sich erst nach Jahren. Juan Matus ermöglicht Castaneda an einer kritischen Stelle, einer Vorprüfung sozusagen, durch den Rauch einen Blick in die Zukunft. Kraft seines maßlosen, gierigen Charakters, wie sich der Nagual ausdrückt, saust Castaneda in großen Schritten weit voraus, gierig Zeitbrocken verschlingend. Mehr sagt er nicht, und auch Castaneda äußerte sich später nie mehr zu diesem Erlebnis. Die Methode des Meisters war über alle Maßen komplex und kann im Detail nicht spezifiziert werden, auch wenn er seinem Schüler am Tag der Initiation seine gesamte Methode und deren einzelne Schritte transparent und rückhaltlos darlegt. Was Juan Matus jedoch nicht darlegt, sind die energetischen Manöver, da sie der Absicht des Nagual unterliegen. Und über das Nagual kann nichts gesagt werden, wie er eines Tages lapidar betont.
In den Darlegungen des Juan Matus waren einzigartige energetische Manöver einverwoben. Er tat dies, weil er so wie Silvio Manuel wußte, daß Castaneda an die Öffentlcuhkeit gehen würde, ja, daß dies gerade seine Mission war. Und deshalb finden wir in den 11 Büchern des Angelianers zuhauf Goldnuggets und Erdnüsse für die doch allemal hungrige Nachwelt vergraben. (Erdnüsse ziehe ich allemal vor).
Eine Erdnuß ist etwa jener Ausspruch, den Adler könne man um nichts bitten. Wir, die Menschen, wären viel zu klein, unendlich unbedeutend im Kosmos, als daß wir die Quelle des Kosmos beeinflussen könnten.
Ich finde diesen Ausspruch phantastisch. Er richtet, so meine ich, mein Leben aus.
Denn da setzt der Glaube ein, und ich bin überzeugt, die werte Leserin wird mir huldvoll zunicken. Für mich ist der Adler, die Quelle des Lebens, Gott. Gut, ich bin Christ. Da fährt die Eisenbahn drüber. Der Herr aus Wadowice, den ich, nolens volens, ziemlich mag (wie gesagt, er rührt mich oft zu Tränen; vielleicht hysterischen Tränen; sei’s d’rum) hat ja wirkliche bemerkenswerte Sprüche geprägt. Ein weiterer war jener: „Die höchste spirituelle, also geistige Leistung des Menschen ist das Gebet. Mithin das Gespräch mit Gott. Das Suchen eines Gespräches mit Gott.“
Und damit bin ich beim Punkt und auch schon wieder am Schluß. Was soll „Allmächtigkeit“ heißen? Was „Liebe“? Wovon reden wir eigentlich?
Die Allmacht des Weltalls habe ein Größenproblem? Gottes Größe stünde ihm selbst und uns erst recht im Weg?
Sehen Sie, allerverehrteste Damen und Herren, das ist die Volte eines einzigartigen Meisters. Der Meister aus der Wüste von Sonora gab seinem Schüler, und mit ihm uns (1.000 Mal Dank), Denkstoff. „Also, Carlitos, wenn Du mir schon nicht glaubst, mußt du dich selbst überzeugen. Also streng Dich an!“
Nichtung und Verherrlichung
Berührung des Gedankens des Christlichen Schamanismus
Nicht zufällig versucht Robert Marshall, Autor des 2007 im Salon-Magazine publizierten Artikels „The Dark Legacy of Carlos Castaneda“, nachzuweisen, vier Frauen aus dem engsten Kreis des Angelianers – Taisha Abelar, Florinda Donner-Grau, Kylie Ljundahl und Amalia Marquez – hätten wenige Tage nach dem Tod des „Sektenführers“ auf intelligente Weise Selbstmord begangen und dafür gesorgt, daß ihre Leichname – im Unterschied zu jenem von Patricia Partin – nicht mehr aufzufinden wären. Marshall bezichtigt aus diesem hartnäckigen persönlichen Vorsatz, den er als Interesse der Hinterbliebenen tituliert, sogar die Polizeibehörden, kalifornisches Recht zu brechen, weil sie keinerlei Nachforschungen anstellten über den Verbleib der Verschwundenen, die doch als irrgeleitete Mitglieder einer Sekte anzusehen sind. In einem Interview vom 29.September 2015 formuliert er seine Entrüstung folgendermaßen: „I wouldn’t exactly say that Castaneda “made it all up.” He just happened to be a brilliant plagiarist. When don Juan opens his mouth, it’s invariably someone else’s words coming out. So it’s not necessarily foolish to find wisdom in Castaneda’s writing. You are often reading re-worked versions of everyone from Jean Paul Sartre to Wittgenstein to the Buddha. Carlos was particularly well-versed in phenomenology. The problem is that all of this has nothing whatsoever to do with the Yaqui Indians. Castaneda did make up don Juan. The books are novels, and he’s a fictional character. No reasonable person who is open to the evidence can deny this. Among professional anthropologists, this is pretty much universally acknowledged. The number of holdouts are miniscule, and they are mostly people who had a personal relationship with Carlos. Outside of anthropology, there’s no universal agreement on anything. People think Obama is a Muslim with a fake birth certificate and people believe that there was a real person on whom don Juan was based, and that Castaneda studied with him. He did not. The evidence is far better for the existence of the Loch Ness monster. But what are you going to do?“
Bruce Wagner hat bereits vor Jahren dazu Stellung bezogen (wurde in diesem Forum zitiert und kommentiert). Die Sprache, die Marshall verwendet, zeigt, wie sehr ihm an einer Disqualifizierung der „Anhänger“ Castanedas gelegen ist. Denn einen Toten als „Scharlatan“ zu disqualifizieren, ist nur Totenschändung. Die disqualifizierende Sprache, die Marshall im vorliegenden Interview verwendet, richtet sich ja nicht an einen Toten, sondern an etwaige „Gläubige“. Sie richtet sich nicht an jene, die über Castaneda bereits den Stab des Urteils gebrochen haben. Sie richtet sich an jene „Dummen, Leichtgläubigen, Naiven, Tatsachenverleugner, Verblendete“, die derartige Erfindungen, esoterischen Lügen, zur Bereicherung des eigenen Lebens und Selbstwertgefühles benötigen. Robert Marshall besteigt den Katheder der Belehrung. Doch weshalb? Was ist der angestrebte Triumph des „Debunkers“?
Will er Dr.Miles Reid „umpolen“, der auf YouTube ein ehrendes Statement zu Castaneda abgegeben hat, zusammen mit seiner Gattin, Aerin Alexander? Will er diese beiden Zeugen des Tuns des Angelianers diskreditieren? Es ist klar, Marshall will in Bausch und Bogen verurteilen. Er will diesem Spuk ein für alle mal ein Ende bereiten. Robert Marshall hat für Mystizismus, er hat für den Nagualismus, er hat für das Wissen des Geistes nichts übrig. Er ist einer der Hohepriester des Positivismus, für den nichts zählt als Fakten. Und für den Faktenbesessenen müssen eben Leichen vorliegen, so wie der eingeäscherte Kadaver des „selbsternannten“ Naguals, der sich „hinterfotzigerweise“ in der Wüste von Sonora aus dem Staub gemacht hat, indem er seine Asche „angeblich“ von Florinda Donner-Grau dort verstreuen ließ.
Wir benötigen Leichen, so wie die Leichen der 3.000 Fireworker auf Ground Zero. Doch kein einziger wurde gefunden. Wie das?
Das Projekt Carlos Castaneda ist ein Projekt der Individualisation, wie es Armando Torres, ein Freund des Angelianers, nennt. Die Nachfolge der Linie der Naguals wird im Verborgenen und nicht von selbsternannten Gurus und Nagualen weitergeführt. Das „Projekt“ Carlos Castaneda trägt nicht seinen Namen. Er war nur der letzte, der öffentliche Vorreiter. Denn es geht um etwas ganz Anderes. Es geht um uns. Es geht um unser Sterben. Es geht um unsere Herkunft aus der Unendlichkeit. Es geht um das unergründliche Geheimnis. Und deshalb geht es, in Abhebung, um unseren individuellen Kampf gegen diese Tyrannei des Faschismus, der uns vorgibt, was und wie wir zu denken haben.
In dieser Tyrannei wird alles Mißliebige verunglimpft oder beiseite geschafft. Dazu gehört an vorderster Stelle der christliche Glaube. Im Faschismus der Nationalsozialisten war es der jüdische Glaube. Im kapitalistischen Faschismus des 21.Jahrhunderts ist es der christliche Glaube. Dieses Projekt der globalen Versklavung trägt einen simplen Titel: „Raub jeder Hoffnung“. Raub der Hoffnung auf die Wiederkehr Christi. Raub der Hoffnung auf die Auferstehung von den Toten. Raub des Glaubens. Raub des Denkens. Raub des Glaubens an den Sieg der Gerechtigkeit. Glaube an das Gute. Glaube an einen Dreifaltigen Gott.
Das alles wird frontal und mit Wucht angegriffen. Die Sätze, die Castaneda von Don Juan Matus berichtet, werden von den „Debunkern“ als Ausgeburten eines drogengetränkten Gehirns (Stichwort „Peyote“) zynisch abgetan.
Zitat Rational-Wiki, Stichwort „Carlos Castaneda“:
„A number of psychoactive substances were the key to Don Juan’s supposed teachings. Peyote, a cactus (Lophophora williamsi) was the principal drug he ingested; it is a hallucinogen whose active ingredient is mescaline, although ingesting it in cactus form also induces strong vomiting. Another drug used by Castaneda is Datura, commonly known as jimsonweed, a much more dangerous deliriant. The books narrated that Don Juan and Castaneda, under the influence of these drugs, were able to travel great distances, move objects with their minds, and transform themselves into animals. This tradition of magic was said to derive from lore handed down from the Toltecs, an ancient Mexican people who preceded the Aztecs and whose culture died out around 1000 CE.
Under the influence of these drugs, Castaneda learned a number of platitudes, which have gone on to great currency in the New Age movement and probably seem quite profound if you’re high:
“”For me there is only the traveling on paths that have heart, on any path that may have heart, and the only worthwhile challenge is to traverse its full length–and there I travel looking, looking breathlessly
—The Teachings of Don Juan (1968)
“”We are men and our lot in life is to learn and to be hurled into inconceivable new worlds.
—A Separate Reality (1971)
“”Nobody knows who I am or what I do. Not even I.
—Don Juan Matus, quoted in Journey to Ixtlan (1972)
These and many similar and quotable sayings in Castaneda’s books, especially these first three, were widely quoted as inspirational material among early New Agers and drug culture aficionados of the 1970s.“ Zitat Ende.
Die Aussprüche des Naguals Juan Matus werden als „Plattitüden“ hingestellt. Das ist charakteristisch für versuchte Manipulation.
Nehmen wir den letzten Satz: „Niemand weiß, wer ich bin oder was ich tue. Nicht einmal ich.“
Dieser Satz erinnert frappant an einen Ausspruch von Don Agustín Rívas Vásquez, dessen Nachbar ich seit 15 Jahren bin. „Niemand weiß, wer ich bin. Nicht einmal ich selbst.“ Einen solchen Ausspruch kann ich nur als ehrlich bezeichnen. Wohltuende Ehrlichkeit.
Ja bitte: Wer von uns kann sagen, was er da die ganze Zeit treibt? Was er da ein Leben lang auf dieser Erde treibt? Was kann ich sagen zu meinen 21.000 Nächten, die ich im Schlaf verbracht habe? Was zu meinen Träumen? Was zu meinen Sexualakten? Was zu meinen Gewalttaten?
Das alles wird lächerlich gemacht. Das ist die Stichlanze des Faschismus.
„Sie haben 21.000 Nächte geschlafen? Na und? Machen Sie sich keine Gedanken über die Träume, die Sie in diesen 21.000 Nächten hatten! Wieso? Weil sie weg sind! Das ist doch offenkundig! Ihre Träume sind weg, also haben sie auch nichts mehr zu bedeuten! Merken Sie das denn nicht?“
Das ist die Sprache des Teufels. Des Menschenmörders von Anfang an. Die Toten sind tot. Sie haben nichts mehr zu bedeuten. So sprechen jene, die so gerne Gott und unsterblich wären. Sie lästern in einem fort.
Carlos Castaneda? Ein Arschloch. Ein Lügner. Ein peruanischer Sexkranker. Alles erfunden. Reiner Schwachsinn.
Mit diesem Reden wollen sie uns hindern, Boden zu suchen. Wir suchen Grund. Wir suchen eine Plattform. Eigensinnige Menschen sind politisch nicht bequem. Eigensinnige Menschen, die die Existenz von Atomwaffen hinterfragen, sind unbequem. Menschen, die fragen, wer verdient an der Produktion von Waffen, sind am besten mundtot zu stellen.
Menschen, die fragen: „Warum sollte die Menschheit geordnet oder ungeordnet aus dem Sein ausziehen?“
Menschen, die fragen: „Warum ist es besser nicht zu sein als zu sein?“
All diese Menschen sollte man ausschalten, sagen sich manche. Diese Manchen sind gewaltbereit. Sie zielen auf schrankenlose Macht in diesem Leben ab. Schrankenlosigkeit und nicht Demut.
Demut, das ist ihnen der Ekel schlechthin. Demut eines Kriegers? Ekelhaft. Demut einer Frau, die den Weg der Medizin geht? Erlogen!
Das Album der denkwürdigen Ereignisse als Verpflichtung des Kriegerwanderers, um die lebenslange Schriftsetzung des Einen und Wahren Geistes zu erkennen? … Ja, hier erlahmt die Gegenrede. Was war an meinem Leben wahrlich denkwürdig? Ja, was? Etwas jenseits der Hölle. Soviel steht fest, lieber Herr Marshall.
Diesen Leuten, die sich um jeden Preis profilieren zu müssen meinen, ist nichts widerlicher als das Evangelium, die „frohe Botschaft“. Die Botschaft eines Heilsbringers. Eines Retters! Alles erlogen und erstunken!
Christus von den Toten auferstanden? Daß ich nicht lache! Kinderscheiße! Mäusekacke!
Christus aufgefahren in den Himmel? Ihr Blödmänner!
Christus sitzet zur Rechten Hand Gottes, des Ewigen Vaters? Ihr gehört eingeliefert!
In den Kraftpflanzen ein Geist, der über dem Menschen steht? Ausgeburt eines pathologischen Gehirns!
Sehen Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser, das ist das Gift, wie es spritzt. All diese bedauernswerten Geblendeten, sie beginnen ihr Statement mit einer Feststellung: „Du, du Armer, bist verblendet! Du glaubst an die „Frohe Botschaft“ und siehst nicht, daß all dies eine Erfindung ist. Eine Erfindung einer Institution im Machtrausch. Eine Erfindung von Männern, die Wasser predigen und Wein trinken. Siehst du denn nicht diese Gestalt, Benedikt XVI.? Seine schwarzen Ringe um die Augen? Das sagt doch alles aus, wer er wirklich ist…“
So weit gehen sie. Aber wir nicht.
Das Schweigen der Tiefsee
Wir können auch anders fragen. Eines morgens, wenn wir uns gut ausgeruht, stark und optimistisch fühlen. Wir können uns fragen, welchen Wert hat unser Reden? Welchen Wert hat unser Denken? Welchen Wert hat unser Schreiben? Früher schrieben wir in unserer eigenen Handschrift. Ein Brief mit Maschine galt als unschicklich, außer, man wurde ausdrücklich darum gebeten, weil der oder die Angeschriebene um unsere „Sauklaue“, also um die Unlesbarkeit unserer Schrift wußte. Heute, wer schreibt heute noch mit der Hand? Auf Briefpapier. Steckt den Brief ins Kuvert, frankiert ihn und bringt ihn zur Post? Heute geht alles ruckzuck, in Sekundenschnelle.
Was schreiben wir da? Was ist es uns wert, was wir da schreiben, über den Atlantik oder den Pazifik hinweg, in Sekundenschnelle?
Was wird unser Schreiben wert sein in 50 Jahren? Was in 100 Jahren? Was in 500 Jahren? Was in 5.000 Jahren?
Ferdinand Ebner, einer der führenden Ringer um das „dialogische Prinzip“, ein Zeitgenosse der K&K-Monarchie, schreibt dazu, als ihm die Tragweite dieses Gedankens nach und nach klar wird, nicht von ungefähr, daß ihm die Lektüre der Evangelien zuerst schwer zu schaffen machte und er zeitweise darüber in Schwermut versank, doch schlußendlich er sich aufrappelte und im Lesen der Frohbotschaft einen gigantischen Halt fand. Er fragt sich: „Wie rechtfertige ich mein Reden, mein Denken, wenn ich eines Tages, einmal, wenn ich vor dem göttlichen Richterstuhl stehe, Rechenschaft ablegen muß über jedes einzelne meiner Worte?“ Denn, wie es im Evangelium steht, „… über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen; denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen, und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden.“ (Matthäus 12:36,37.)“
Es wird also evident, daß unser Reden Bedeutung einnimmt für die Ewigkeit. Reden und Denken.
Wie kann ich es mir dann, so frage ich mich, erst recht leisten, über einen Mann herzuziehen, der seit 18 Jahren tot ist. Wie lange, so frage ich mich, werden es sich die Kritiker des Carlos Castaneda leisten können, ihn posthum derart in Verruf zu ziehen?
Das war die berufene, hellsichtige Antwort von Bruce Wagner. All diese Beißer, die sich anmaßen, zu wissen, was tatsächlich der Fall ist, blenden ihren eigenen Tod aus. Sie blenden die Worte des „Naguals“ zum persönlichen Sterben aus. Sie tun das gesamte Werk in Bausch und Bogen ab. Die Worte, die darin stünden, seien generell ohne Bedeutung, deshalb, weil sie erfunden sind.
Das nun ist die Qualität des Hochmuts. Über Tote zu richten. Als wenn wir nichts Besseres zu tun hätten als über Tote zu richten. Ein Blender. Ein Lügner, sagen sie. Ein skrupelloser Erfinder.
Doch dem stehen Menschen entgegen, die nicht dieser Meinung sind. Dazu gehören Miles Reid, Aerin Alexander, Soledad Ruiz, Armando Torres und auch ich. Menschen der Praxis. Denn der Nagualismus ist existentielle Praxis und nicht theoretischer Streit, ob war oder unwahr, erfunden oder authentisch. Nagualismus ist disziplinierte Praxis. Nagualismus ist die Bewahrheitung der Forderung nach Makellosigkeit. Was ist Makellosigkeit?, fragt Castaneda seinen Meister. „Stets dein Bestes zu geben und noch ein bißchen mehr“, antwortet dieser knallhart.
Das hat mit mir zu tun, und nicht mit herablassenden Kritikern wie Robert Marshall. In unserem Leben geht es um uns, und nicht um jene, die vorgeben zu wissen, wer ein Lügner ist. Es geht um uns in unserer Selbstverantwortung. Uns in jener uns übertragenen Verantwortung, die wir – siehe Jesus von Nazareth – ein Leben lang nicht abstreifen können. Diese Verantwortung bereits für unser Denken. Nichts radikaler als dies. Denken – Reden – Tun. Nicht für unser Leben, sondern für die Ewigkeit. Oder, wie es Don Juan Matus, der große, unvergleichliche Nagual, formuliert: „Unser Leben als Antwort auf das Wirken der Unendlichkeit. Eine nicht endende Serie von Entscheidungen, die uns in Atem halten.“
Besiegter Verrat
Die geweihte Nacht wird immer Bestand haben. Es gibt auch geweihte Tage, wie Ostern und Pfingsten. Weihnachten jedoch war Nacht. Die geweihte Nacht zieht in den Tag hinüber und erhellt ihn mit ihrem einzigartigen Licht. Irgendwann umfängt uns die Geweihtheit der besonderen Zeit. Jene einer Nacht. So wie in Peyote, so wie in Ayahuasca. Für manche Menschen verlischt schließlich die gewohnte Alltäglichkeit, weil die Zeit und mit ihr die Zeitverhältnisse, also alles, was mit der Zeit in Bezug steht, als vermeintliche Illusion zusammenbricht. Wir könnten auch sagen: Der Wert der Zeit bricht zusammen. Das gilt für Menschen in der Todeszelle, für Menschen, die dem Tod ins Auge blicken generell. Ich halte zwar den Ausdruck „dem Tod ins Auge blicken“ für reine Blasphemie, doch ich handhabe jetzt diesen Begriff pragmatisch, um auf den Ernst der Lage hinzuweisen.
Der Ernst der Lage ist die eigentliche Krise im Leben des Menschen. Um die Krise komme ich nicht umhin. Irgendwann umfängt sie mich. Die Krise packt mich an meinem schwächsten Punkt, der in Wahrheit ein ausgebrüteter Komplex ist. Dieser Komplex ist unser urpersönlichster, bei dem uns niemand etwas hineinzureden hat. Solange uns niemand hineinredet, besteht Hoffnung auf Selbstheilung. Die bleibt uns ja sowieso nicht erspart. Selbstheilung ist eine Lebensdevise für jedermann. Das Leben besteht im Eigentlichen, so möchte ich sagen, aus dieser Aufgabe.
„Papa, was ist meine Aufgabe im Leben?“
„Du sollst dich jeden Morgen in den Spiegel schauen können, Sohn/Tochter.“
„Aha.“
„Ja, mach ich auch so, Tochter/Sohn. In den Spiegel schauen können. Keine Fratze, die mir entgegenblickt. Sehe ich eine Fratze, weiß ich, es steht schlimm um mich. Doch solange ich keine Fratze sehe, weiß ich, ich kann immer noch alles mit mir ausmachen.“
„Papa, was meinst du mit „Mit mir ausmachen“?
„Die Lösung finden, Tochter/Sohn. Die Erklärung, warum ich so bin, so gehandelt habe. Im Leben muß man viel denken, Sohn/Tochter. Wer viel denkt und viel liest, kommt gut weiter. Dazu muß man natürlich wissen, wohin will ich eigentlich? Diese Frage stelle ich mir irgendwann heimlich und beantworte sie auch insgeheim. Geheimnisse, Tochter/Sohn, behält man für sich. Deshalb nennt man sie ja auch Geheimnisse.“
„Aha.“
Krisen setzen schlagartig das Leben in Brand. Wenn die Windverhältnisse ungünstig sind, fliegt das Feuer in Windeseile vom Brandherd weg. Niemand rechnete am 8.Oktober mit dem verheerenden Feuer in Paradise und danach an ausgewählten Orten in ganz Kalifornien. Die Feuersbrunst ist gefräßig und kann sich sogar zu gefräßigem Tod auswachsen. Wenn wir im Feuer stehen, gehen wir durch Feuer, so wie der heilige Stephanus, dessen wir heute gedenken. Keiner konnte ihm seine Rede verbieten, nicht einmal, wie er bereits mit offenem Schädel im Sterben lag und Christus im Firmament sah. Bezeichnenderweise haben wir Menschen im Feuer allesamt bereits einmal – vielleicht sogar mehrmals – erlebt. Vielleicht standen selbst wir bereits im Feuer und wollen uns nur nicht daran erinnern. Suizidanten stehen jedenfalls immer im Feuer. Die Suizidanten meines Lebens haben Reden hinterlassen. Bemerkenswerte Reden. Aus gegebenem Anlaß (nachweihnachtliche Silvesterwoche, in welcher man der Toten des zu Ende gehenden Jahres gedenkt) möchte ich heute ein paar wiederauferstehen lassen. Worte direkt aus der, wie es scheint, zeitlosen Feuersbrunst.
„Ich querte den Atlantik mehrmals allein im Segelboot. Einmal hatte ich Monstersturm. Du kannst nur rechtzeitig die Segel herunterlassen und die Schotten dicht machen. Mich selbst band ich an, am Hauptmast, so wie in den Piratenfilmen. Das geschah noch dazu bei Nacht, gute zwölf Stunden lang. Das forderte mir alles ab. Das Boot kenterte nicht.“ (W.E., Elixhausen)
„Meine Eltern wissen nicht, womit ich kämpfe. Sie haben nicht die leiseste Ahnung.“ (Ein junger Mann, ca.1972)
„Meine Einsamkeit inmitten der Dummheit auf Erden ist grenzenlos. Sogar das Familienleben ist reines Theater.“ (K.F., 1973)
„Keiner stoppt den Höllenzug. Ich schon. Um den Preis meines Lebens.“ (♂, 1970)
„Ich bin nicht böse. Ich bin nur gerecht. Du hingegen weißt nicht, was Gerechtigkeit ist.“ (1967. Der Bub, der so sprach, war erst Zwölf)
„Meine Frau hat mich sogar noch mit Gift angespuckt, als ich weinte.“ (Tamshiyacu, 2001)
„Herr Dr.H., glauben Sie mir, der Mensch kann unrettbar verteufelt sein. Sosehr, daß keine Rettung mehr besteht. Mann oder Frau, ist egal.“ (♂, 2011)